Fränkisches Kriegswesen

Aus Scriptorium

Palästina und Syrien waren der Schauplatz von ständiger Kriegsführung. Dementsprechend groß war die Bedeutung des Kriegswesens im Königreich Jerusalem.

Einführung

Der europäische Staat im Mittelalter hatte nur schwache Strukturen; seine Wirtschaft war auf Bedarfsdeckung ausgelegt und erbrachte kaum Überschüsse. Aus diesem Grund konnten sich fränkische Herrscher keine, oder nur minimale stehende Heere leisten (beispielsweise die Königliche Haustruppe). Größere Heere konnten nur temporär aufgestellt werden. Dies war die Verantwortung der militärischen Elite, der sogenannten Ritter - sie erhielten vom Staat Land oder Geld, um zusammen mit ihrem Gefolge ihrem Lehnsherren zeitlich befristete Heerfolge zu leisten.

Zusammensetzung eines Heers im Königreich Jerusalem

Die 4 wichtigsten Truppenarten von Outremer waren:

Lehnsaufgebot

Die Stellung des Lehnsaufgebotes war eine der vorrangigen Pflichten des Lehnsmanns gegenüber des Lehnsherrn im Feudalismus – wer das Lehnsaufgebot nicht stellte, wenn der Lehnsherr danach im Rahmen des Lehen verlangte, beging einen Treuebruch. Das Lehnsaufgebot eines Lehnsmanns stellte sich aus zwei Teilen zusammen – erstens dem Lehnsmann selber, zweitens einem Gefolge.

Ein Edelknecht musste kein Gefolge bringen (auch wenn zumindest ein mitreisender Waffenknecht erwünscht und auch empfehlenswert war). Ein Ritter hatte eine Lanze zu stellen, ein Herr ein Banner, das sich aus 4 bis 6 Lanzen zusammensetzte.

Diese Elite war begleitet von seinem militärischen Gefolge - den Waffenknechten. Sie waren manchmal professionelle Soldaten, die sich im Austausch gegen Geld oder Ländereien ständig in der Haustruppe des Herrn befanden, und oft auch nur temporäre Soldaten, die nach dem Ende des Kriegszuges wieder zu ihrem normalen Beruf zurückkehren würden.

Landesaufgebot

Das Landesaufgebot war eine seltener eingesetzte Heeresart. Sie bestand aus Milizionären der Städte und Dörfer, und wurde nur im Fall einer nationalen Notlage eingesetzt. Dies bedeutete, dass ein normaler, ziviler Bürger des Königreich Jerusalems kaum je zu befürchten hatte, militärisch eingesetzt zu werden, wenn er dies nicht wollte. Allerdings musste man als Jerusalemer Bürger darauf eingestellt sein – die Beherrschung einer Waffe war daher eine Pflicht für jeden Bürger des Königreich Jerusalems.

Das Landesaufgebot war gegliedert in die Herkunftsstädte und Herkunftsdörfer der Aufgebotenen; angeführt wurden sie durch örtliche Befehlshaber und Würdenträger.

Eine spezielle Art des Landesaufgebots, welche weitaus häufiger zum Einsatz kam, waren die Wehrbauern, welche speziell in gefährlichen Regionen angesiedelt wurden, um dort im Notfall sofort zu den Waffen greifen und sich wehren zu können.

Söldner

Söldner wurden im Königreich Jerusalem weitaus öfter eingesetzt als im Abendland. Dies lag an der dünnen Schicht des Adels in der Levante. Söldnertruppen waren in von Hauptleuten angeführten Fähnlein organisiert und bestanden vor allem aus Lateinern und Syrern. Sie standen oft in den Diensten des Königs, einem seiner Barone oder der Ritterorden.

Ritterorden

Die Ritterorden unterstanden nur dem Papst, aber dennoch konnte der König auf ihre Hilfe hoffen, wenn er gegen Feinde wie die Fatimiden oder das Emirat Damaskus zoog.

Sonstige Teile eines feudalen Heers

Schlussendlich gab es auch Pilger, die oft dazu tendieren, als Teil ihrer Pilgerfahrt sich freiwillig zu militärischen Aktionen zu melden.

Ausrüstung und Truppenarten

Siehe auch hier: Waffen und Rüstung

Die wichtige Truppenart, die das europäische Schlachtfeld dominierte, war die Reiterei. Ihre Mobilität und Schlagkraft war in den Schlachten der Kreuzfahrern unerlässlich. Die Kavallerie bestand in erster Linie aus Rittern und Edelknechten. Aber auch professionelle Waffenknechte, die, ähnlich wie Ritter, schwer bewaffnet und beritten waren, kamen recht häufig vor. Die Schlagkraft der europäischen Kavallerie war unter anderem der Qualität der europäischen Pferde geschuldet - mit Hirse gefütterte schweren Pferde waren viel größer als die kleineren Pferde des nahen Ostens.

Die Infanterie bestand zumeist aus mit Speeren und Bögen ausgerüsteten Männern, welche von Söldnern unterstützt wurden. Im 12. Jahrhundert wurde aber auch die Armbrust als Waffe immer bedeutender.

Berittene Bogenschützen waren in Europa selten, wurden aber im Königreich Jerusalem unter der einheimischen Bevölkerung rekrutiert und kamen oft zur Unterstützung der schweren Reiterei zum Einsatz.

Strategische Situation

Es existierte keine Landbrücke vom fränkischen Westen nach Outremer; aus diesem Grund war das Bündnis der Kreuzfahrerstaaten mit den Seerepubliken Venedig und Genua überlebenswichtig. Die bevorzugten Viertel, welche die Italiener in vielen Städten erhielten, stimulierte den Handel und ermutigte die Italiener, die Kreuzfahrerstaaten anch allen Kräften zu unterstützen.

Das größte Problem der Franken war ihre geringe Anzahl - das Königreich Jerusalem beinhaltete nur in etwa 120.000 Franken; in etwa so viele Franken lebten in den anderen Kreuzfahrerstaaten zusammen. Dies war minimal verglichen mit, beispielsweise, der Bevölkerung von Frankreich (13 Millionen). Allerdings rekrutierten die Franken auch sehr oft einheimische Christen (zumeist orthodoxe oder armenische Christen), um ihre Nummern zu stärken.

Wichtig für die Strategie der Kreuzfahrer war der Bau von Burgen und Stadtmauern, mit deren Hilfe selbst eine kleine Garnison Macht nach außen projizieren konnte.

Die strategische Situation der Kreuzfahrer machten Belagerungen sehr wichtig - die Kreuzfahrer waren in hierin sehr erfahren und erstaunten die Morgenländer oft mit ihrer sturen Hartnäckigkeit, welche oft den Fall einer Stadt (oft nach monatelanger Belagerung) in fränkische Hände bedeutete.

Taktik

Heeresführer wussten, dass Infanterie und Kavallerie am besten in geordneten Formationen auftraten; allerdings waren große Heere so teuer, dass sie nach dem Abschluss einer Kampagne schnell aufgelöst wurden - dies schädigte die Disziplin und den Zusammenhalt des Heeres. Das war ein Grund dafür, dass europäische Heeresführer nur selten Offene Schlachten ohne Notwendigkeit riskierten.

Selbst Belagerungen waren organisatorisch herausfordernd - die Position hinter Burg- oder Stadtmauern favorisierte die Verteidiger, und es war schwierig, eine belagernde Armee ausreichend zu versorgen.

Aus diesem Grund bevorzügten Heerführer Raubzüge, um die wirtschaftliche Grundlagen des Feindes zu zerstören.

Disziplin

Die Franken von Outremer waren ständig in Kämpfe verwickelt, was ihnen Erfahrung in der Schlacht verlieh. Daher waren die Armeen von Outremer disziplinierter und kohärenter als in Westeuropa. Das bedeutete, dass die Kreuzfahrer immer schlachtbereit waren, und ermöglichte es Heerführern auch, Kavallerie vor einer Schlacht so zu positionieren, dass sie dem Feind durch eine massierte Attacke möglichst viel Schaden zuführen konnten. Daher war der Kampfstil der Kreuzfahrer oft betont aggressiv, da dies die Vorteile der Franken insbesondere zur Geltung brachte.

Reiterei

Siehe aus Berittener Kampf

Der größte taktische Vorteil der Kreuzfahrer war die vernichtende psychologische Wirkung des massierten berittenen Angriffs - welchen die Europäer im Laufe des elften Jahrhundert perfektioniert hatten. Selbst eine unterlegene Streitkraft konnte durch einen gut platzierten und getimten Kavallerieangriff einen größeren Feind in die Schlacht schlagen.

Schildwall

Siehe auch Kampf mit Schild

Eine andere Taktik, die die Franken benutzten, war der Schildwall. Infanterie wurde hierbei dicht aneinander gedrängt, um Angriffe von Feinden abzuwehren. In dieser Formation konnten die Franken sich auch langsam und vorsichtig in vorteilhafteres Terrain begeben. Diese “mobile Belagerung” ar oft sehr wirksam darin, Schlachten abzwenden und erlaubten es einem fränksichen Heer oft, einer potentiell vernichtenden Konfrontation zu entkommen.

Schlachtaufstellung

Bei der Aufstellung zur Schlacht stand es dem Befehlshaber frei, jede Waffengattung in große Einheiten zusammenzufassen. Dies erscheint logisch, war aber oft nicht machbar - das Feudalsystem, wo jeder Ritter nur seinen jeweiligen Lehensherrn als Autorität anerkennt, bot sich nicht an für eine straffe Organisation von Rittern und deren Gefolgsleuten unter Generälen, Obersten und dergleichen.

Meistens wurden daher die Nebenwaffengattungen um die Hauptwaffe, die Ritter, herum gruppiert. Der Ritter (dies gilt das auch für Edelknechte oder andere Adlige mit einem Gefolge) fungierten in dieser Gruppierung als Anführer.

Es existierten zwei Grundformen der Reiteraufstellung: Entweder die Ritter ordneten sich in einem Haufen und liessen Waffenknechte und Schützen folgen, oder aber sie liessen das Fußvolk als Plänkler vorausgehen.

Angriff

Mehrfach wird in zeitgenössischen Quellen berichtet, dass die Ritter ihre Attacke nicht in einem rapiden Schockangriff durchführen sondern langsam anritten. So wird auch erwähnt, jeder Haufen kommt langsam und geschlossen angeritten. Ritter und Hauptleute ließen ungerne ihre unberittenen Gefolgsleute zu weit hinter sich zurück.

Einen Angriff in Keilform, um die feindliche Reiterlinie zu zerteilen, gibt es nicht. Diese Formation ergibt keinerlei Sinn, da die Spitze stets von der feindlichen Linie umschlossen würde und so aufgehalten werden würde. Man durchbricht die feindliche Linie nur, wenn möglichst viele zugleich in sie eindringen.

Der Grund für die dafür eher ungeeignete tiefe Aufstellung der Reiter im Mittelalter dürfte darin begründet sein, dass sich tieferen Haufen leichter zusammenhalten lassen. Dies ist verbunden mit dem Problem der Disziplin, welches Heeresführung schwierig macht.

Kavallerieattacken basierten darauf, sich nach einem erfolgten Angriff schnell wieder zu sammeln und erneuert anzureiten, da das anschließende Handgemenge meist keine Entscheidung bringt. Die geschlossene Einheit wird angestrebt. Oft war dies aber nicht möglich, und dann lag die Entscheidung im Handgemenge, das keine Führung mehr kennt.