Strategie und Taktik

Aus Scriptorium

Dieser Artikel beschreibt die Führung von Heeren im Zeitalter der Kreuzfahrer.

Strategie

Strategie bezeichnet in seiner militärischen Bedeutung langfristige Planung für militärische Operationen. Dies beinhaltet die Ziele der militärischen Aktion, die Route, die das Heer nimmt, die Verpflegung und so weiter. Der Artikel beschreibt die wichtigen Aspekte mittelalterlicher strategischer Planung.

Große und kleine Heere

Mittelalterliche Strategie dreht sich in vielerlei Hinsicht um die rechte Balance zwischen einem zu großen und einem zu kleinen Heer. Große Heere sind schwer zu bewegen und zu verpflegen. Kleine Heere aber werden leichter geschlagen. Diese Schwierigkeit der Kriegsführung zu allen Zeiten ist in der Epoche der Lehnsaufgebote und Naturalwirtschaft noch bedeutsamer. Sie stellt eine der Hauptursachen dar, warum Entscheidungen zwischen großen Heeren selten auf dem Schlachtfeld gesucht werden.

Dies bedeutet, dass mittelalterliche Heere eher klein sind. Ein Heer mit mehr als 1000 Soldaten gilt schon als ziemlich groß; 10000 Soldaten bilden ein riesiges Heer. Heere, die größer sind als 100000 Mann, gibt es praktisch nicht. Am ersten Kreuzzug beteiligten sich die damals unfassbare Anzahl von 35000 Soldaten, allerdings nicht in einem einzigen Heer.

Besonders in der Levante ist die Strategie beeinflusst von Versorgungsproblemen und Krankheiten. Mittelalterliche Heere versorgen sich oft selbst durch Plünderungen, allerdings ist dies oft nicht wegbar im Heiligen Land, wo auf die Sicherung der Nachschublinien geachtet werden muss. Krankheiten kosten oft weitaus mehr Soldaten das Leben als direkter Kontakt mit dem Feind, insbesondere bei schlechter Versorgungssituation.

Defensive und Offensive

Im Mittelalter sind die Kräfte der Defensive durch Burgen und befestigte Städte gegenüber der Offensive im Vorteil. Dem Schwächeren ist es relativ einfach, sich in derart befestigte Plätze zurückzuziehen und sich so der Entscheidung der Schlacht zu entziehen. Mittelalterliches militärisches Denken sieht deshalb einen Angreifer im strategischen (und auch taktischen) Nachteil.

Plünderung und Eroberung

Der Reichtum mittelalterlicher Königreiche und Fürstentümer ist meistens vorwiegend auf Landbesitz gebaut. Während im 12. Jahrhundert schon mehrere Handelsrepubliken etabliert sind, ist ein feudaler Staat wie das Königreich Jerusalem weiterhin auf Landwirtschaft angewiesen. Dies bedeutet, dass Plünderungsfeldzüge eine effektive Art und Weise sind, dem Feind die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen, und somit seine Kriegsfähigkeit zu untergraben. Plünderungsfeldzüge haben zudem den Vorteil, dass sie verlustarm sind, den Angreifer bereichern, das Prestige des Angegriffenen schmälern - es ist sehr demütigend, nicht in der Lage zu sein, sein eigenes Land vor solchen Übergriffen zu beschützen - und ihn eventuell zu einem Angriff zu zwingen, und ihn somit nach mittelalterlichem militärischem Denken in eine nachteilige Position zu versetzen. Aus diesem Grund sind die meisten mittelalterlichen Feldzüge Plünderungsfeldzüge. Eroberungsfeldzüge sind eher selten. Groß angelegte Eroberungen wie die von Sizilien zwischen 1047 und 1059 die von England um 1066 (beide durch die untypisch expansiven Normannen) und der erste Kreuzzug sind die Ausnahme fürs Hochmittelalter.

Taktik

Taktik beschreibt die Heeresführung während einer Schlacht. Während Strategie auf lange Frist hin angelegt ist, bezieht sich Taktik auf kurzfristige Entscheidungen, die zur erfolgreichen Beendung einer Schlacht nötig sind.

Taktiken des Königreichs Jerusalem

Taktik in der Schlacht spielte in der mittelalterlichen Kriegskunst eine untergeordnete Rolle. Es war nicht so, dass Kriegsherren nicht ihre Wichtigkeit erkannten; vielmehr diktierte die Realität der mittelalterlichen Welt, dass taktische Gedanken nicht realisierbar waren. Kriegsherren hatten mit undisziplinierten und eigensinnigen Vasallen, in deren Köpfen der Ethos des Rittertums tief verankert war, und die oft eine Neigung zur Insubordination hatten, zu kämpfen. Oftmals hatten Feldherren Probleme damit, ihre Heere zusammenzuhalten, ohne dass nicht ein Teil, auf Angriff erpicht, losbrach. Einfache und simple Maßnahmen wie das Zurückhalten einer Reserve oder eine gezielte Umzingelung einer isolierten Flanke war unter diesen Umständen sehr beeindruckend, und nur wenige Feldherren waren zu solchen Manövern in der Lage.

Schlachtaufstellung

Bei der Aufstellung zur Schlacht steht es dem Befehlshaber frei, jede Waffengattung in große Einheiten zusammenzufassen. Dies erscheint logisch, ist aber oft nicht machbar aufgrund der Probleme verbunden mit dem Mangel an Disziplin in einem mittelalterlichen Heer. Auch bietet sich das Feudalsystem, wo jeder Ritter nur seinen jeweiligen Lehensherrn als Autorität anerkennt, nicht an für eine straffe Organisation von Rittern und deren Gefolgsleuten unter Generälen, Obersten und dergleichen.

Meistens werden daher die Nebenwaffengattungen um die Hauptwaffe, die Ritter, herum gruppiert. Der Ritter (dies gilt das auch für Edelknechte oder andere Adlige mit einem Gefolge) fungiert in dieser Gruppierung als Anführer.

Es existieren zwei Grundformen der Reiteraufstellung: Entweder die Ritter ordnen sich in einem Haufen und lassen Waffenknechte und Schützen folgen, oder aber sie lassen das Fußvolk als Plänkler vorausgehen. Oder man ordnet sich gemeinsam in einem tiefen Haufen. Bei beiden Varianten handelt es sich um reine Annäherungsformen, die sich im Kampf schnell auflösen.

Angriff

Mehrfach wird in zeitgenössischen Quellen berichtet, dass die Ritter ihre Attacke nicht in einem rapiden Schockangriff durchführen sondern langsam anritten. So wird auch erwähnt, jeder Haufen kommt langsam und geschlossen angeritten. Ritter und Hauptleute ließen ungerne ihre unberittenen Gefolgsleute zu weit hinter sich zurück.

Einen Angriff in Keilform, um die feindliche Reiterlinie zu zerteilen, gibt es nicht. Diese Formation ergibt keinerlei Sinn, da die Spitze stets von der feindlichen Linie umschlossen würde und so aufgehalten werden würde. Man durchbricht die feindliche Linie nur, wenn möglichst viele zugleich in sie eindringen.

Der Grund für die dafür eher ungeeignete tiefe Aufstellung der Reiter im Mittelalter dürfte darin begründet sein, dass sich tieferen Haufen leichter zusammenhalten lassen. Dies ist verbunden mit dem Problem der Disziplin, welches Heeresführung schwierig macht.

Neuzeitliche Kavallerieattacken basieren darauf, sich nach einem erfolgten Angriff schnell wieder zu sammeln, da das anschließende Handgemenge meist keine Entscheidung bringt. Die geschlossene Einheit wird angestrebt. Mittelalterliche Quellen zeugen da eher vom Gegenteil. Die Entscheidung liegt oft im Handgemenge, das keine Führung mehr kennt.

Islamische Taktiken

In den islamischen Heeren, die die Kreuzfahrer bekämpfen, gibt es zwei taktische Schulen. Die erste wird vom Heer der Fatimiden vertreten, die zweite vom Heer der Seldschuken. Anzumerken ist, dass bei islamischen Heeren allgemein die Disziplin unter Soldaten höher ist als bei europäischen Armeen - aber oft nicht substantiell höher.

Fatimidische Taktik

Ägyptische Armeen verlassen sich vor allem auf Massen von sudanesischen Bogenschützen, unterstützt von arabischer und berberischer Kavallerie. Da die Bogenschützen unberitten sind, und die Reiter mit Lanze und Schwert den Angriff erwarten, stellt das fatimidische Heer das perfekte unbewegliche Ziel für fränkische Ritter dar. Die Fatimiden benützen nur selten oder gar nicht berittene Bogenschützen. Aus diesem Grund schauen die Kreuzfahrer auf die Fatimiden als Gegner herab, auch wenn die Fatimiden es manchmal schaffen, die Kreuzfahrer zu schlagen - oft nur durch reine Überzahl.

Türkische Taktik

Die Seldschuken stützen sich vor allem auf ihre leichten berittenen Bogenschützen. Als leichte Kavallerie stellten die berittenen Bogenschützen den Kern eines türkischen Heeres dar.

Die hohe Mobilität gibt den Türken einen entscheidenden Vorteil über die langsamen europäischen Heere, welche den türkischen berittenen Bogenschützen gegenüber besonders verwundbar sind, wenn sie sich zum Angriff nähern. Sie erlaubt es den Türken auch, eine Distanz von den Gegnern einzuhalten, und den Moment zu wählen, bei welchem sie angreifen. Daher konnten die Türken generell den Ort und die Zeit größerer Auseinandersetzungen wählen.

Außerdem gibt die hohe Mobilität den Türken die Möglichkeit, einen Rückzug vorzuschützen, dabei die Europäer in Hinterhalte zu führen oder sie zu ermüden.

Die hohe Mobilität ermöglichte es auch, den Schwachpunkt des Feindes gezielt zu attackieren. Die Rückseite und die Seiten eines europäuischen Heeres bieten dankbare Angriffsflächen, da der Heerführer normalerweise in der Vorhut mitreiste. Dies bedeutete, dass das Heer ganz besonders unorganisiert ist, wenn es sich auf dem Marsch befindet. Ein Hinterhalt erlaubt es den Türken, nicht in eine offene Schlacht zu kommen, bis die Europäer ermüden und die Unterstützung der Flanken verlieren.

Außerdem hilft die hohe Mobilität den Türken dabei, den Feind dazu zu zwingen, anzugreifen. Statt von Pfeilen der Reihe nach getötet zu werden, fliehen die Europäer oder sie greifen dort an, wo sie glauben, dass der Feind ist. Das erlaubt eine noch größere Benutzung der türkischen Mobilität in der Schlacht, um sich erst zu entfernen, und dann abermals aus der Entfernung zu attackieren.

Byzantinische Taktiken

Die Byzantiner betrachten sich als das Erbe von Rom, und in vielerlei Hinsicht gilt das auch für das byzantinische Heer. Das Heer der Dynastie der Komnenoi ist hoch organisiert und professionell, wenn auch nicht unbedingt stehend im modernen Sinn der Wortes. Die Disziplin des byzantinischen Heeres ist herausragend verglichen mit der von europäischen Heeren. Die Gliederung des Heeres in kleinere EInheiten und Untereinheiten erlaubt Flexibilität und Zusammenhang.

Die wichtigste Rolle spielt die Kavallerie, deren schwer bewaffneter Kern die Kataphrakte darstellen - Reiter, die sich aus der Elite des Reichs rekrutieren. Die Kataphrakte werden durch lateinische Söldner verstärkt, sowie auch durch leichter bewaffnete Reiter und berittene Bogenschützen. Die Kavallerie führt den Angriff eines byzantinischen Heeres, und der Einsatz der Kavallerie ist oft Schlacht entscheidend.

Byzantinische Kriegshandbücher geben genaue Instruktionen zur Führung von Kavallerie, aber weniger zur Infanterie - der Infanterie wird als zweitrangig gesehen - vor allem, da sie bei Auseinandersetzungen mit schnellen türkischen berittenen Bogenschützen nutzlos ist. Besonderen Nutzen findet sie bei der Verteidigung, wo sie in einer dichten, tief gestaffelten Linie aufgestellt wird. Hinter dieser Infanterielinie kann sich die Kavallerie nach einer Schockattacke zurückziehen, um sich neu zu gruppieren.

Quellen

http://www.brandenburg1260.de/

France, John "Warfare in the Age of the Crusades"

Oman, Charles "Medieval Warfare: the Art of War in the Middle Ages"

Wikipedia