Raubzug
Raubzüge waren die üblichste Methode der Kriegsführung im Mittelalter. Auch im Zeitalter der Kreuzzüge waren es nicht Eroberungszüge, welche die Kriegserfahrungen der meisten Menschen darstellten, sondern Überfälle, die von feudalen Herrschern oder der Krone selber organsiert wurden.
Die Kreuzfahrer verwendeten für diese Art der Kriegsführung das Wort Chevauchee; die Araber verwendeten das Wort Razzia, welches später auch in europäische Sprachen übernommen wurde.
Organisation eines Raubzuges
Raubzüge hatten ihren Ausgangspunkt üblicherweise in Burgen nahe der Grenze, welche als militärische Stützpunkte und Rückzugsstationen dienten. An der Spitze des Raubzuges stand der Herr der Burg; oder auch, wenn es ein größerer, von weiter oben organisierter Raubzug war, der örtliche Baron oder gar der Konstabler.
In manchen Burgen verließen Ritter mit berittenen Waffenknechten fast ununterbrochen und jeden Tag ihre Burg, um Raubzüge in benachbarten muslimischen Staaten durchzuführen. Diese Chevauchees konnten sie weit weg führen von ihrem Hauptstützpunkt. Diese Truppen waren mobil schnell und manövrierbar; sie waren gut dazu geeignet, feindlichen Heeren auszuweichen und ihnen zu entkommen.
Taktiken
Raubzüge bestanden zumeist aus schnellen Kavallerieübergriffen quer durch feindliche ländliche Gebiete, wo unbefestigte Dörfer und Städte überfallen, Getreide- und sonstige Nahrungsvorräte und Häusers angezündet wurden, Vieh gestohlen, jegliche Gegenstände von Wert verschleppt und generell die Gesellschaft terrorisiert wurde. Oft wurden leichtere Renner benutzt, um beweglicher und schneller zu sein.
Insbesondere gegenüber religiösen Feinden waren solche Raubzüge notorisch für ihre Brutalität. In einer Art und Weise, die heute zynisch erscheint, wurde gezielt die zivile Bevölkerung angegriffen - wobei die Grenzen zwischen zivil und militärisch im Mittelalter sehr verwischt waren. Unbewaffnete Dörfer, Karawanen, Bauernhöfe, Zeltstätten und Oasen waren optimale Ziele für einen Raubzug. Die Männer wurden oft kaltblütig abgeschlachtet, Kinder versklavt, und Frauen oft geschändet und dann versklavt. Aus jenem Grund sorgten die Chevauchees für einen ständigen Zustrom von muslimischen Sklaven nach Jerusalem.
Ziele
Ein Raubzug hatte mehrere Ziele. Erstens waren Raubzüge dazu da, den Feind zu demoralisieren - es war unschön fuer einen Monarchen, dazustehen als jemand, der seine Bevölkerung nicht vor Raubzügen schützen konnte. Zweitens machten sie den Feind um vieles ärmer - und, wenn man seine Nahrungsquellen niedergebrannt und seine Vorräte weggeschafft hatte, machte es auch Hungersnöte und Krankheiten wahrscheinlicher, was den Feind wiederum noch mehr schwächen würde. Drittens machten sie dadurch, dass der Feind durch ständige Raubüberfälle geschwächt und ausgeraubt wird, Raubzüge von der anderen Seite aus weniger häufig und schwächer - daher beschützt man mit erfolgreichen Raubzügen das eigene Land. Und viertens bereicherten sie die Organisierer, denn durch den Verkauf von Sklaven und erbeutetem Material konnte man sehr wohlhabend werden und seine Kosten auch in einer weniger wirtschaftlichen Burg decken.
Verteidigung gegen Raubzüge
Ein guter Kommandant, mit einer guten Kenntnis seines Landes, konnte einen Raubzug abfangen, wenn er geschickt war, und die Mitglieder der plündernden Truppe zur offenen Schlacht zwingen. Plünderer waren sehr darauf bestrebt, dies zu verhindern, da sie oft einfach zahlenmäßig unterlegen und nicht gut genug fuer eine offene Schlacht ausgerüstet waren.
Wenn eine Chevauchee ein unbefestigtes Dorf angreift, beschlossen die Einwohner oft, sich in einem einzigen Gebäude - zum Beispiel der Kirche beziehungsweise der Moschee - zu verschanzen. Wenn es noch Zeit gab, so wurden noch eilends Gräben rund um dieses Gebäude gegraben. Allerdings konnte Widerstand in dieser Weise oft nicht lange geliefert werden, und generell war es fuer Dorfbewohner um vieles unangenehmer und kostenreicher, Widerstand zu leisten, anstatt sich gleich zu ergeben.
Eine weitere Option war es, zu fliehen. Hierbei boten sich nah gelegene Burgen, Zitadellen und Wehrtürme an - Befestigungen, die der Feind nicht angreifen würde. Wenn sich Dörfern nahe einer Burg Raubzugtruppen näherten, so konnte damit gerechnet werden, dass die Burg sich schnell anfüllte mit ängstlichen Bauern, die erst wieder nach Hause gingen, wenn die Luft rein war.