Abendländischer Tagesablauf

Aus Scriptorium

Dieser Artikel beschreibt den typischen Ablauf eines Wochentages aus der Perspektive von verschiedenen Menschen des Mittelalters. Die Zeiten werden dabei in moderner und in mittelalterlicher Zeitrechnung angegeben. Im Mittelalter waren Minuten und Sekunden zwar schon bekannt, aber nicht im allgemeinen Gebrauch - eher sagte man z.B. eine Viertelstunde als 15 Minuten, oder ein Augenblick statt eine Sekunde.

Der typische Tagesablauf war zentral im bürgerlichen, adligen und vor allen Dingen im geistlichen Alltag.

Die hier geschilderten Tagesabläufe sind typisch für Christen in Jerusalem. Für den typischen Tagesablauf eines Muslims, siehe hier.

Zu beachten ist, dass die Zeitmessung nicht sehr genau war, und der Tag mit Sonnenaufgang begann und mit Sonnenuntergang endete. Daher konnte die Mette im Sommer um drei sein und das Komplet um acht; im Winter hingegen war die Mette um fünf und das Komplet um 6. Hier wird die Zeit zu einer Tagundnachtgleiche angegeben.

Etwa 2.00-4.00 > Nachtfeier

Die meisten Menschen schlafen noch, aber ein paar stehen schon auf. Zum einen sind es Mönche und andere Ordensgeistliche, die an manchen Tagen schon um 2 Uhr zur Nachtfeier aufgeweckt werden und die Nachtfeier zu beten beginnen müssen - diese dauert bis zu 3 Stunden. Zum anderen sind es Leute wie zum Beispiel Bäcker, welche aufstehen müssen, um zu beginnen, Brote zu backen, damit jene rechtzeitig bis zum Morgen fertig gebacken, aber noch frisch sind. Außerdem sind die Männer der Nachtwache unterwegs. Auch Diener müssen oft schon um diese Zeit aufstehen - Häuser wollen eingeheizt, Böden gekehrt und Wäsche gewaschen werden.

Etwa 4.00-5.00 > Mette

Um 4 Uhr, beim ersten Anbruch des Tageslichtes, stehen die meisten Menschen auf. Dumpf erläuten die Glocken der Kirchen und mahnen zum Gottesdienst. Die Nachtwache hört zu dieser Uhrzeit auf. Noch vor dem Frühstück drängen sich die Menschenmassen in die Kirche oder die Kapelle, um sich die Mette anzuhören. Über die Arbeitswoche hinweg ist die Mette der wichtigste Gottesdienst - mit ihm beginnt jeder mittelalterliche Mensch den Tag. Aber auch schon der beste Christ hat schon mal die Mette verschlafen...

Etwa 5.00-6.00 > Zwischen Mette und Prim

Kurz vor dem Sonnenaufgang, welchen die Prim kennzeichnet, wird noch ein kärgliches Frühstück heruntergeschlungen. Manche lassen sich mehr Zeit dabei, versäumen dann aber den Sonnenaufgang und die damit einhergehende Öffnung der Geschäfte.

Etwa 6.00-7.00 > Prim

Die Sonne geht auf, und das Leben schwappt über die Stadt herein. Hell läuten die Glocken der Stadt und zeigen somit an, dass der Handel, der Markt und die Arbeit eröffnet hat. Läden werden aufgemacht, Theken ausgefahren, und die Handwerker beginnen an ihren Arbeiten herumzuwerkeln oder lautstark Kunden anzuwerben. Der Marktvogt beginnt die Inspektion der Märkte und Läden. Das Bürgergericht findet sich zusammen, sodass die Schöffen und der Vizegraf Urteile zu fällen beginnen kann. In den Kirchen und Klöstern wird von den Geistlichen die Prim gebetet. Edelleute benutzen oft diese Zeit, um mit den Amtsleuten ihres Haushaltes zu sprechen - zum Beispiel mit Vögten oder ihrem Seneschall. Edeldamen sind um diese Zeit oft mit Sticken beschäftigt. Ritter, Edelknechte und Waffenknechte verbringen diese Zeit, wenn sie nichts anderes zu tun hatten, mit Waffenübungen.

Etwa 7.00-8.00 > Sekund

Die Prim der Geistlichen ist bis spätestens jetzt abgeschlossen. Im Johanniterorden pflegen sich die Ordensleute um die Kranken, und die Templer begannen ihre Waffenübungen. Andere Mönche und Nonnen widmen sich Gartenarbeiten oder dem Lesen und Schreiben.

Etwa 8.00-9.00 > Terz

Die Kirchenglocken schlagen, und die Geistlichen beten die Terz. Manche Händler und Handwerker dürfen erst jetzt mit dem Verkauf von Waren anfangen - mit dieser Gewerbeeinschränkung konnten Leute, die gegen eine Regulation verstoßen hatten, sehr effektiv bestraft werden. Die Sitzung des Bürgergerichts dürfte bis jetzt abgeschlossen sein - wobei sich die Sache manchmal etwas zieht.

Etwa 9.00-10.00 > Quart

Spätestens jetzt sollte die Sitzung des Bürgergerichts abgeschlossen sein - die Schöffen können nach Hause eilen, um dort ihr Gewerbe aufzunehmen. Die Mönche und Nonnen nehmen das Studium ihrer Bücher wieder auf, oder beschäftigen sich mit Gartenarbeit oder Krankenpflege.

Etwa 10.00-11.00 > Quint

Zur Quint erstirbt das Markttreiben und das Geklirr der übenden Krieger seinen Höhepunkt - es ist üblich, dass es um etwa 10.00 Mittagessen gibt. Die Familie, bzw. der Orden isst zusammen. Das Mittagessen ist sehr reichhaltig und die Hauptmahlzeit des Tages. Manchmal gibt es auch Gäste - für Angehörige des Adels gilt das Unterhalten von Gästen beim Mittagessen für besonders fein und ehrenhaft. Manche Leute aber haben keine Frau und auch keine Diener, die ihnen das Essen machen, und daher müssen sie zu den Garküchen des Malquisinats gehen, um dort ihren Hunger zu stillen.

Etwa 11.00-12.00 > Sext

Das Mittagessen ist zu Ende, und das Markttreiben nimmt wieder seinen Gang. Adlige vertreiben sich die Zeit mit der Beizjagd oder der Jagd mit Hunden, oder aber, wenn das Wetter nicht gut ist, mit Schach oder Würfelspielen. Die Kirchenglocken schlagen abermals, und die Geistlichen beten die Sext zu Mittag.

Etwa 12.00-13.00 > Septim

Nach der Sext dürfen die Mönche und Nonnen einen kleinen Mittagsschlaf halten. Auch die Angehörigen der Dienerschaft können das - sofern alle Überreste des Mittagessen abgeräumt sind. Das ist sehr willkommen, da Diener früh aufstehen müssen. Das Markttreiben nimmt weiter seinen Gang.

Etwa 13.00-14.00 > Oktav

Mönche und Nonnen, sowie Diener, müssen wieder weiterarbeiten.

Etwa 14.00-15.00 > Non

Die Kirchenglocken schlagen abermals, und die Geistlichen beten die Non. Die allerersten Läden beginnen zu schließen. Vor allem sind das Handwerksläden, die einen großen Bestellungsrückstand haben, und deren Meister in Ruhe die Bestellungen fertig stellen wollen.

Etwa 15.00-16.00 > Dezim

Die meisten Läden schließen um diese Zeit. Der Marktvogt kann seine Arbeit für heute beenden. Hinter den Kulissen aber arbeiten Handwerker oft weiter, vor allem wenn sie bei Aufträgen im Rückstand sind. Adlige derweil kehren von ihren Jagden zurück, wenn sie solche unternommen haben. Sie machen die Bahn frei für nicht-adlige Beizjagd-Enthusiasten, die nun ihrerseits mit ihren weniger wertvollen Jagdvögeln auf die Beiz gehen können.

Etwa 16.00-17.00 > Undezim

Wenn die Meister nicht schon mit ihrer Arbeit abgeschlossen haben, tun sie es jetzt. Es bleiben aber die Gasthäuser und Schänken offen, welche um diese Zeit schon von den Leuten, die mit ihrer Arbeit Schluss gemacht haben, frequentiert werden. Es wird Schach gespielt, aber auch anderen Brettspiele und auch Spiele mit Kugeln und Kegeln wurden gespielt. Andere Männer versammelten sich in Hinterhöfen, um dort die Kunst des Bogenschießens oder des Armbrustschießens zu üben - Kenntnisse darüber sind nützlich im Fall einer bewaffneten Auseinandersetzung, sei es mit Feinden des Königreichs oder im kleineren Rahmen. Hinter den Kulissen jedoch geht in den Handwerksstätten die Arbeit bei so manchen weiter, auch wenn der Verkaufsladen an sich geschlossen hat. Adlige derweil versammeln sich im großen Saal ihrer Anwesen oder Häuser. Wenn ein fahrender Sänger oder Erzähler zu Gast ist, ist es nun an der Zeit für diesen, seine Geschichten oder Lieder preis zu geben.

Etwa 17.00-18.00 > Duodezim bzw. Vesper

Die letzten Meister schließen ihre Arbeit ab und schließen sich den anderen in den Gaststätten an. Die Kirchenglocken schlagen abermals, und die Mönche beten die Vesper.

Etwa 18.00-19.00 > Zwischen Vesper und Komplet

Um 6 Uhr geht die Sonne unter. Der Sonnenuntergang zeigt die Zeit für das Abendessen an, welches sich ein jeder Mann von seiner Frau erwartet, wenn er von seiner Schänke, seinen Bogenschützenübungen oder seiner Beiz nach Hause kommt. Auf dem syrischen Platz beginnt nun möglicherweise eine Aufführung von fahrenden Leuten, die Gauklereien sowie Theaterstücke aufspielen. Manchmal ist das ein ungeordneter Klamauk, welcher in kompletten Unfug degeneriert. Wie dem auch sei, die Leute lieben es.

Etwa 19.00-20.00 > Komplet

Die Kirchenglocken schlagen abermals, und die Mönche beten das Komplet. In den Familien wird diese Zeit benutzt, um zusammen zu sitzen und sich Geschichten zu erzählen oder sich über den heutigen Tag auszutauschen. Die Gaststätten schließen, denn es wird als extrem unfein gesehen, noch jetzt zu dieser Zeit zu trinken. Leute, die morgen früh aufmüssen, gehen jetzt ins Bett.

Etwa 20.00-4.00 > Nachtwache

Die Leute gehen ins Bett. Es ist wichtig, zu festen Tageszeiten ins Bett zu gehen und aufzustehen, denn es gab noch keine Wecker und es war notwendig, den geeigneten inneren Rhythmus zu haben, um nicht zu verschlafen - wobei die Glocken am Morgen dabei helfen.

In der Nacht sind die Nachtwachen unterwegs. Diese bestehen aus Bürgern der Nachbarschaft, die sich dazu bereit erklären, in der Nacht schichtenweise ^mit einer Fackel herumzugehen und Ausschau zu halten nach Feuern, Übeltätern oder sonstigen Anomalien.