Morgenländischer Tagesablauf

Aus Scriptorium

Dieser Artikel beschreibt den typischen Ablauf eines Wochentages aus der Perspektive von verschiedenen Menschen des islamischen Mittelalters. Die Zeiten werden dabei in moderner und in mittelalterlicher Zeitrechnung angegeben. Im Mittelalter waren Minuten und Sekunden zwar schon bekannt, aber nicht im allgemeinen Gebrauch - eher sagte man z.B. eine Viertelstunde als 15 Minuten, oder ein Augenblick statt eine Sekunde. Die Tagesabläufe in der muslimischen Welt richteten sich nach den Gebetszeiten, nicht nach festgelegten Stunden - und diese wiederum orientierten sich an Sonnenaufgang und -untergang.

Die hier geschilderten Tagesabläufe sind typisch für Muslime in Askalon. Für den typischen Tagesablauf eines Christen in Jerusalem, siehe hier.

Zu beachten ist, dass die Zeitmessung nicht sehr genau war, und der Tag mit Sonnenaufgang begann und mit Sonnenuntergang endete. Daher konnte der Tag im Hochsommer eine Stunde früher beginnen und eine Stunde später aufhören; im Winter hingegen war der Tag oft um 2 Stunden kürzer. Hier wird die Zeit zu einer Tagundnachtgleiche angegeben.

Etwa 3.00 > Vor dem Fajr

Die meisten Menschen schlafen noch, aber ein paar stehen schon auf. Es sind Leute wie zum Beispiel Bäcker, welche aufstehen müssen, um zu beginnen, Brote zu backen, damit jene rechtzeitig bis zum Morgen fertig gebacken, aber noch frisch sind. Außerdem sind die Soldaten unterwegs, die zur Nachtwache eingeteilt wurden. Auch Diener müssen oft schon um diese Zeit aufstehen - Häuser wollen eingeheizt, Böden gekehrt und Wäsche gewaschen werden.

Etwa 4.30 > Fajr

Um 4.30 Uhr, kurz nach dem ersten Anbruch des Tageslichtes, stehen die meisten Menschen auf. Die Muezzine rufen von den Minaretten herab zum Gebet. Am Freitag versammeln sich alle Muslime dazu gemeinschaftlich in der Moschee; an anderen Tagen ist es in Ordnung, das Gebet zu Hause zu vollführen. Die Nachtwache hört zu dieser Uhrzeit auf. Der Fajr, das erste muslimische Gebet, dauert in etwa 15 Minuten. Nach dem Fajr wird gefrühstückt. Das muslimische Frühstück ist normalerweise sättigend und ausgiebig.

Etwa 6.00 > Sonnenaufgang

Die Sonne geht auf, und das Leben schwappt über die Stadt herein. Läden werden aufgemacht, Theken ausgefahren, und die Handwerker beginnen an ihren Arbeiten herumzuwerkeln oder lautstark Kunden anzuwerben. Der Muhtasib beginnt die Inspektion der Märkte und Läden. Edelleute benutzen oft diese Zeit, um mit den Amtsleuten ihres Haushaltes zu sprechen - zum Beispiel mit den wichtigsten Sklaven und Klienten. Edeldamen sind um diese Zeit oft mit Sticken beschäftigt. Soldaten verbringen diese Zeit, wenn sie nichts anderes zu tun haben, mit Waffenübungen.

Etwa 11.00 > Vor dem Dhuhr

Es ist üblich, dass es um etwa 11.00 Mittagessen gibt. Die Familie, bzw. das Soldatentum einer Kaserne isst zusammen. Das Mittagessen ist sehr reichhaltig und die Hauptmahlzeit des Tages. Manchmal gibt es auch Gäste - für Angehörige des Adels gilt das Unterhalten von Gästen beim Mittagessen für besonders fein und ehrenhaft. Manche Leute aber haben keine Frau und auch keine Diener, die ihnen das Essen machen, und daher müssen sie zu Garküchen gehen, um dort ihren Hunger zu stillen.

Etwa 12.00 > Dhuhr

Nach dem Mittagessen kommt das zweite Gebet des Tages, der Dhuhr. Er dauert etwa 15 Minuten. Nachdem der Dhuhr gesagt wurde, geht das Leben auf den Straßen weiter. Adlige vertreiben sich die Zeit mit der Beizjagd oder der Jagd mit Hunden, oder aber, wenn das Wetter nicht gut ist, mit Schach oder, wenn sie gebildet sind (was bei der muslimischen Oberschicht viel wahrscheinlicher ist als bei der christlichen) mit Literatur. Was auch immer sie tun, es ist wichtig, dass sie rechtzeitig zum Nachmittagsgebet zurück sind.

Etwa 15.30 > Asr

Zum Nachmittagsgebet schließen die Läden und Handwerksstätten, und der Muhtasib geht nach Hause. Auch das Gericht schließt. Das Gebet dauert etwa 15 Minuten, und wird gefolgt von einer kleinen Zwischenmahlzeit. Manche Handwerker arbeiten auch nach dem Asr noch weiter, vor allem wenn sie bei Aufträgen im Rückstand sind. Vor allem ist jetzt aber die beste Zeit, um ins Hamam zu gehen und dort die Seele baumeln zu lassen.

Etwa 18.00 > Maghrib

Nach muslimischem Verständnis beginnt der Tag zu dieser Zeit. Das Abendgebet beginnt und dauert etwa 15 Minuten. Nach dem Abendgebet wird es draußen dunkel, und die Familie isst zusammen ihr Abendessen. Nach dem Abendessen können sie zusammen sitzen und den Tag Revue passieren lassen.

Etwa 20.00 > Ischa

Das Nachtgebet beginnt und dauert etwa 20 Minuten. Nach dem Nachgebet gehen die Muslime ins Bett. Es ist wichtig, zu festen Tageszeiten ins Bett zu gehen und aufzustehen, denn es gab noch keine Wecker und es war notwendig, den geeigneten inneren Rhythmus zu haben, um nicht zu verschlafen - wobei die Muezzine am Morgen dabei helfen. Soldaten werden auch um diese Zeit ausgesendet, um nach dem Rechten zu sehen.