Einheimischer Adel
Einheimischer Adel besteht vor allem aus zwei Gruppen - armenischer und islamischer Adel. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über den einheimischen Adel und seinem Einfluss im Königreich Jerusalem.
Armenischer Adel
Der armenische Adel weist, wie die Kreuzfahrer bei ihrer Ankunft in Jerusalem erstaunt zur Kenntnis nehmen mussten, große Ähnlichkeiten in Struktur und Bedeutung auf wie der europäische Adel. In den Jahren seit dem ersten Kreuzzug ist die Ähnlichkeit noch größer geworden, nachdem die Fürsten von Kleinarmenien, dem armenischen Staat, der nördlich an das Fürstentum Antiochia angrenzt, ihre Herrscherstruktur mit der der Kreuzfahrer harmonisiert haben.
Der armenische Hochadel, der in Kleinarmenien den Fürsten und seine Barone stellt, ist in Jerusalem insofern präsent, als dass öfters Hochadlige in Jerusalem die Töchter armenischer Barone und Fürsten heirateten, wie zum Beispiel Balduin I. und Balduin II.
Ein armenischer Niederadeliger nennt sich azat - eine Bezeichnung, die etwa deckungsgleich mit dem europäischen Edelknecht oder Ritter ist. Armenische Ritter sind, zusammen mit ihren Familien, in Jerusalem seit dem ersten Kreuzzug präsent - viele sind vor allem mit Balduin II. aus Edessa 1118 dort hin gekommen, und verstärken seit jener Zeit den Jerusalemer Niederadel (auch wenn armenische Adlige unter den Franken nur eine Minderheit darstellen).
Armenische Adlige hängen der armenischen Kirche an, und sind in Jerusalem insbesondere im armenischen Viertel anzutreffen. Das Selbstverständnis armenischer Niederadliger unterscheidet sich nicht allzu sehr von dem ihrer europäischen Kollegen, deren Angewohnheiten und Gebahren sie zunehmend übernehmen.
Islamischer Adel
Im Gegensatz zum armenischen Adel, der eine von Byzanz und Europa beeinflusste Feudalgesellschaft repräsentiert, ist der islamische Adel weniger rigide und ausgeprägt und flexibler als Konzept an sich. Die islamische Gesellschaft kennt keinen 2. Stand (als deren Angehörige armenische Adlige sich durchaus verstehen) und die europäische Vorstellung von Adel ist nicht sehr gut auf den Islam anwendbar.
Dennoch ist nicht zu verleugnen, dass es im Islam Familien gibt, die an Einfluss und Reichtum anderen überlegen sind, und aus deren Reihen sich die Inhaber von islamischen Titeln rekrutieren. Der Einfluss dieser Familien ist einem beständigen Aufstieg und Fall unterworfen, der das Konzept des Adels im Islam sehr fluide macht. Der islamische Adel ist sehr abhängig vom jeweiligen Machthaber, der frei Iqtas, Titel wie z.B. Emir oder Wali und Wappen verteilen kann. Die Tatsache, dass sich diese sich nicht automatisch vererben, und der Islam bei Geld und Waren nach dem Tod des Inhabers nach islamischem Erbrecht eine rigide Realteilung vornmmt, bedeutet, dass der Tod des Familienhauptes einen jähen Absturz bedeuten kann.
Der islamische Adel ist in Jerusalem kaum vertreten, sieht man von allfälligen diplomatischen Gesandten und verbliebenen Grundbesitzern, die unter dem König von Jerusalem oder einem der Barone nun als Rais seines Dorfes fungiert, ab. Viele islamische Adlige wurden im Zuge des ersten Kreuzzuges getötet oder vertrieben, während andere mangels eines islamischen Herrschers in die Unterschicht herabsanken.