Fränkisches Verfahren
Das fränkische Verfahren vor Gericht ist das Verfahren, nach dem die Lateiner des Königreichs Jerusalem das Recht sprechen. Es wird angewendet vor dem Bürgergericht und dem Hohen Gericht, wenn jenes zu Gericht sitzt.
Grundlegende Prinzipien
Das fränkische Verfahren kennt verfahrenstechnisch keinen Unterschied zwischen Straf- und Zivilverfahren. Jeder war selbst dafür verantwortlich, Leute, die ihm etwas schuldeten oder ihm Unrecht angetan hatten, vors Gericht zu bringen. Es galt das Prinzip: Wo kein Kläger, da kein Urteil. Richter dürfen keinen Prozess von Amts wegen einleiten. Wenn der Geschädigte keine Klage einbringen konnte, z.B. weil der Angeklagte ihn ermordet hatte, so lag es an der Familie, den Freunden oder dem Herrn des Geschädigten, zu klagen.
Es gibt zwei Formen der Anklage: die schlichte Anklage und die Anklage mit dem Gerüft.
Schlichte Anklage
Die normale Anklage geschieht mit dem folgenden Ablauf:
1. Ein Geschädigter geht zum Richter und klagt gegen den Geschädigten.
2. Der Geschädigte wird vor Gericht berufen.
3. Der Geschädigte macht eine Aussage, ohne zu stottern oder sich zu versprechen, und schwört, dass dies die Wahrheit ist.
4. 6 Eideshelfer beschwören ihren Glauben, dass der Geschädigte die Wahrheit gesagt hat.
Der Angeklagte kann nun seine Schuld entweder eingestehen und wird verurteilt, oder aber er kann aber nun einen Reinigungseid vollziehen:
5. Der Angeklagte macht eine Aussage, dass er unschuldig ist, ohne zu stottern oder sich zu versprechen, und schwört, dass dies die Wahrheit ist.
6. 6 Eideshelfer beschwören ihren Glauben, dass der Angeklagte die Wahrheit gesagt hat.
Wichtig zu beachten ist, dass alles, was nicht verleugnet wird, als eingestanden gilt.
Ein Angeklagter kann sich von einer Anklage auch durch eine königliche Urkunde befreien, die die Unschuld des Angeklagten beweist oder bezeugt.
Der Angeklagte muss nun nach mehr Eideshelfern suchen, die seine Aussage bestätigen, und der Angeklagte muss mit der gleichen Anzahl von Eideshelfern dagegenhalten. Wenn dies kein Ergebnis ergibt, kann der Richter ein Gottesurteil oder einen Zweikampf anordnen.
Gottesurteil
Wenn der Angeklagte nicht genügend Eideshelfer hatte, konnte er um ein Gottesurteil bitten. Auch konnte der Richter eines anordnen, wenn die Schwüre mit Eideshelfern zu keinem Ergebnis führten.
Gottesurteile, die der Richter anordnen kann, sind:
- die Feuerprobe, bei der der Delinquent ein glühendes Eisen mehrere Schritte weit tragen muss. Entzündet sich nach einigen Tagen die Wunde statt zu heilen, gilt dies als Schuldbeweis.
- die Heißwasserprobe oder der Kesselfang, bei der der Angeklagte in einen Kessel voll mit glühendem Wasser fassen muss. Entzünden sich nach einigen Tagen die Brandwunden statt zu heilen, gilt dies als Schuldbeweis.
- die Kaltwasserprobe wird der Angeklagte in zuvor gesegnetes Wasser geworfen. Schwimmt er, so stößt das gesegnet Wasser ihn ab und er ist schuldig; sinkt er, so ist er unschuldig.
- das Kreuzordal, bei der Kläger und Angeklagter beide Arme vor dem Kreuz ausstrecken müssen - wer zuerst seine Arme sinken lässt, ist im Unrecht.
- das Hostienordal, bei dem der Angeklagte eine Hostie isst. Verschluckt er sich, ist er schuldig.
Es ist offensichtlich, dass bei diesen verschiedenen Gottesurteilen die Chancen des Angeklagten, sich zu befreien, variieren. Der Richter kann das Gottesurteil so bestimmen, dass der Angeklagte eine größere bzw. geringere Chance hat, freizukommen.
Zweikampf
Der Zweikampf konnte nicht vom Angeklagten erbeten werden, sondern nur vom Kläger. Auch konnte ihn der Richter anordnen. Beim Zweikampf müssen der Kläger und der Angeklagte kämpfen, bis einer der beiden tot ist. Kinder, Greise, Frauen und sonstige Kampfunfähige können Lohnkämpfer beauftragen (mussten es aber nicht, es stand ihnen frei, selber zu kämpfen).
Wertung der Eideshelfer
Eideshelfer sind nicht unbedingt Zeugen (auch wenn Zeugen Eideshelfer sein können), sondern bezeugen den guten Ruf einer Klagepartei.
Jeder freie Franke wird als ein Eideshelfer gewertet. Frauen gelten halb so viel, Hochadlige (wie Barone) doppelt so viel. Der König kann eine Urkunde erstellen, die einem der beiden Parteien die Schuld zuweist.
Status von Zeugen und Beweisen
Im Gegensatz zu Anklagen mit dem Gerüft (siehe unten) gelten Zeugen wenig bei einem Delikt. Vielmehr werden Zeugen und Beweise dazu benutzt, um Leute dazu zu überzeugen, als Eideshelfer zu fungieren. Dies ist so, weil nur wenige Leute dazu bereit waren, durch einen falschen Eid ihr Seelenheil, ihr Ansehen und ihre Ehre aufs Spiel zu setzen - Zeugen und Beweise aber können gewichtige Eideshelfer davon überzeugen, ihren Eid für eine Partei zu schwören.
Zeugen allerdings sind vor Gericht wichtig, wenn sie einen Handel, ein Testament oder einen sonstigen rechtlichen Akt bezeugt haben - vor Gericht beschwören sie, dass sie dem Akt beigewohnt haben. Bei genügender Anzahl (zumeist sind 2 Zeugen genug) gilt die Rechtmäßigkeit jenes Aktes als bewiesen.
Anklage mit dem Gerüft
Klage kann auch abseits des Gerichts mithilfe dem Gerüft erhoben werden. Das Gerüft ist ein Hilfeschrei, der unbedingt von Leuten im Umkreis beantwortet werden muss - die Ignorierung eines Gerüfts ist strafbar.
Gerüfte kann man erheben, wenn ein Verbrechen ausgeführt wird, oder gerade ausgeführt wurde. Das Verfahren hat bei einer Klage mit dem gerüft läuft folgendermaßen ab:
1. Das Opfer oder ein Zeuge (ie. der Kläger) erhebt das Gerüft.
2. Auf das Gerüft hin kommen Leute im Umkreis (Schreimannen) zu Hilfe und überwältigen den Verbrecher.
3. Der Kläger und die Schreimannen schleppen den Angeklagten vor Gericht.
4. Der Kläger macht eine Aussage, ohne zu stottern oder sich zu versprechen, und schwört, dass dies die Wahrheit ist.
5. 2 Schreimannen beschwören ihren Glauben, dass der Geschädigte die Wahrheit gesagt hat.
Der Angeklagte kann keinen Einspruch erheben und keinen Reinigungseid leisten; seine Schuld gilt als unumstößlich erwiesen. Er kann sofort verurteilt werden. Wenn die Schreimannen und der Kläger den Angeklagten bei seiner Überwältigung töten, ist das kein Problem; es wird als rechtmäßig angesehen.
Urteilschelte
Bei einer schlichten Klage kann die Partei, die verloren hat, an ein höheres Gericht appellieren (ie. vom Bürgergericht ans Hohe Gericht). Dies ist nicht möglich bei einer Überführung mit dem Gerüft.