Schach

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Schach ist ein strategisches Brettspiel für zwei Spieler. Der Name des Schachspiels leitet sich vom persischen Schah (König) ab, weshalb es auch als Spiel der Könige bekannt ist. Ziel des Spiels ist es, den gegnerischen König schachmatt zu setzen Die Partie ist gewonnen, wenn es einem der Spieler gelingt, den König des Gegners matt zu setzen oder aber, wenn das Gegenüber aufgibt. Dagegen endet die Partie unentschieden, wenn der König nicht im Schach steht, jedoch keine der Spielfiguren bewegt werden kann, ohne ihn matt zu setzen.

Die Ursprünge des Schachspiels in Ostasien

Über die Herkunft des Schachspiels sind verschiedene Theorien in Umlauf. Sowohl China, Persien als auch Indien werden als Ursprungsland gehandhabt. Von den meisten Forschern wird der indische Ursprung des Schachspiels favorisiert. Dafür spricht der ursprüngliche Name des Spiels chaturanga, was eine indische Heeresbezeichnung ist. So basieren auch die frühen Spielsteine auf den klassischen Truppenteilen einer indischen Armee. In Indien finden sich zudem die frühesten schriftlichen Erwähnungen des Schachspiels. Drüber hinaus verweisen Persische Quellen auf Indien als Herkunftsland des Schachs. Als Gegenargument wird bisweilen angebracht, dass die Etymologie des indischen Namens chaturanga nicht restlos geklärt sei. Auch das Fehlen früher archäologischer Funde, welche die Herkunft des Spiels eindeutig belegen, dient den Kritikern der Indien-Theorie als Beleg, den Ursprung des Spiels woanders zu verorten. Im Allgemeinen herrscht jedoch Konsens, Indien als die Wiege des Schachspiels zu sehen.

Wie bereits angeklungen repräsentieren die indischen Schachfiguren die klassische Aufstellung eines Heeres, welches sich aus vier grundlegenden Truppenteilen zusammensetzt: Kavallerie, Sreitwagen, Kriegselefanten und Fußtruppen. Dem entsprechend setzt sich das indische Schach aus den folgenden Figuren zusammen: 1 Radscha, welcher dem König entspricht; 1 Mantri (Minister), welcher der Dame entspricht; 2 Gajah (Kriegselefant), welche den Läufern entsprechen; 2 Ashva (Pferde), welche den Springern entsprechen, 2 Ratha (Streitwagen), welche den Türmen entsprechen und 8 Padati (Fußsoldaten), welche den Bauern entsprechen.

Ist man sich bei der Herkunft des Schachspiels heute weitestgehend einig, so herrscht noch immer eine kontrovers geführte Diskussion um die zeitliche Einordnung desselben. Buddha (563-483 v. Chr.) sprach sich gegen Spiele aus und erwähnte dabei ausdrücklich Brettspiele, die auf einem 8x8 Felder großem Spielbrett gespielt werden. Dabei könnte es sich auch um eine Art Protoschach gehandelt haben. Wesentlich konkreter wird es in der Lebensbeschreibung des Königs Shri Harsha von Kananj (606-647). Dort wird berichtet, dieser sei ein passionierter Spieler eines Kriegsspiels, dass auf einem 8x8 Felder großem Spielbrett gespielt wird, was von den meisten Wissenschaftlern als Schachspiel gewertet wird. Explizite Erwähnung findet das Spiel dann in den beiden Epen Harajivaya (ca. 850) und Kavyalankara (ca. 900). Erste archäologische Hinweise sind aus der Mauryan Periode (300-200 v. Chr.) bekannt. Aus dieser Zeit stammt eine Figurine eines Streitwagens, bei der es sich um eine Schachfigur handeln könnte. Zudem sind Wandreliefs mit der Darstellung eines schachartigen Spielbretts aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert bekannt. Generell werden die Anfänge des Schachspiels um 570 n. Chr. angesetzt, wobei es auch frühere Datierungen gibt. So werden erste Vorläuferspiele schon um 400 v. Chr. vermutet.

Das Schachspiel im persisch-arabischen Raum

Über die Seidenstraße gelangte das Schachspiel nach Persien, wo es sich rasch großer Beliebtheit erfreute. So ist es auch wenig verwunderlich, dass die ersten einwandfrei als solche zu identifizierenden Schachfiguren aus dem persischen Raum stammen. Sie wurden 1977 bei archäologischen Ausgrabungen unter einer Moschee in Samarkand gefunden. Dort fanden sich 7 Schachfiguren aus Elfenbein von einer Höhe zwischen 2,6 und 4 cm, die um das Jahr 712 datiert werden. Die persischen Schachfiguren lehnen sich eng an die indischen Vorbilder an. Es gibt einen Schah (König), der auf einer Sänfte getragen wird, einen berittenen Wesir, Pferde, Streitwagen und Fußsoldaten.

Mit der Expansion des Islam kamen auch die Araber in Kontakt mit dem Schachspiel und übernahmen es rasch. Zwar hatte sich der Prophet Mohammed gegen Spiele aller Art ausgesprochen, doch Spiele, die der Kriegsertüchtigung und der Schärfung des Verstandes dienen, seien legitim. Und dies, so argumentierten die muslimischen Rechtsgelehrten, treffe in besonderer Weise auf das Schachpiel zu. Zudem wurde aufgeführt, habe es im Umfeld des Propheten passionierte Schachspieler gegeben, was der Prophet gebilligt habe. Belege für die große Beliebtheit des Schachspiels in der muslimischen Welt finden sich zuhauf in der arabisch-sprachigen Literatur des Mittelalters. So gab es Schachbücher, die sich mit Regeln, Taktiken und Strategien des Schachs auseinander setzten und Lobgedichte auf das Spiel selbst oder aber berühmte Schachmeister. Daneben wurde Schachastrologie und Schachmathematik betrieben und die medizinische Anwendbarkeit des Spiels diskutiert. In der Philosophie wurde das Schachspiel als Beleg dafür angeführt, dass der freie Wille des Menschen dem Schicksal überlegen sei. Schließlich galt Schach als Symbol für Besonnenheit und Klugheit und wurde in der Poesie als Metapher für das Liebeswerben und das erotische Spiel zwischen Mann und Frau verwendet.

Aus dem arabisch-muslimischen Raum stammen auch die ersten abstrakten Schachfiguren. Waren bei den ersten persischen Figuren noch klar die Gestalt eines Reiters, eines Streitwagens oder eines Elefanten zu erkennen, wurden sie nun stark stilisiert dargestellt. Es wurde überlegt, ob die Entwicklung auf das Bilderverbot im Islam zurück zu führen sei. Mittlerweile wird ein direkter Zusammenhang ausgeschlossen, doch geht man davon aus, dass die Auseinandersetzung mit dem Bildererbot den Sinn für Abstraktion geschärft hatte.

Der Weg des Schachspiels nach Europa

Das Schachspiel gelangte auf verschiedenen Wegen nach Europa. Zunächst stellte Byzanz eine wichtige Schnittstelle dar. Mit dem Ausgreifen des Islam nach Kleinasien trat Byzanz in zunehmenden Kontakt zur Islamischen Welt. Auf diesem Weg gelangte das Schachspiel nach Byzanz, wo es Zatrikion genannt wurde. Gespielt wurde primär mit den abstrakten Figuren des arabisch-muslimischen Typs. In Konstantinopel kamen Händler und Söldner aus Skandinavien in Kontakt mit dem Schachspiel und nahmen es mit in ihre nordeuropäische Heimat. Über byzantinische Verwaltungsbeamte gelangte es auch in die byzantinischen Enklaven Italiens.

Das Maurische Spanien war die zweite wichtige Kontaktzone im Austausch zwischen dem christlichen Europa und der muslimischen Welt. Von dort breitete sich das Schachspiel nach Mittel- und Westeuropa aus. Mit der Ersten Kreuzzug und der Etablierung christlicher Herrschaften in der Levante intensivierte sich der Kontakt zwischen Orient und Okzident. Schach avancierte zum Spiel der Diplomaten und Gesandten. Dies legen zu mindestens die Zahlreichen Buchmalereien nahe, die einen christlichen und einen muslimischen Würdenträger beim Schachspiel zeigen. Eine der berühmtesten Abbildungen dieser Art stammt aus dem "Buch der Spiele", das König Alfons X. von Kastilien 1283 in Auftrag gab. Für die Wissenschaft ist dieses Werk auch deshalb von besonderem Interesse, da es eine der ersten Spielbeschreibungen enthält, die aus dem lateinischen Westen bekannt sind.

Das Schachspiel im mittelalterlichen Europa

Im mittelalterlichen Europa fanden sowohl die abstrakten als auch die figürlichen Schachfiguren Verwendung. Ein prominentes Beispiel für abstrakte Schachfiguren sind die Figuren aus dem Aachener Ambo. Dieses wurde von Heinrich II. (1002-1024) dem Dom zu Aachen gestiftet. In das Ambo wurden zwei Schachfigurensätze aus Chalzedon bzw. gebändertem Achat eingearbeitet, vermutlich wegen ihres wertvollen Materials. Die Figuren sind arabisch-byzantinischen Typs. Zeitweilig wurde die Vermutung geäußert, die Schachfiguren stammten aus der Mitgift der byzantinischen Prinzessin Theophano. Es ist zwar durchaus plausibel, dass sich im Gepäck einer byzantinischen Prinzessin auch Schachfiguren befanden, doch muss es sich bei diesen nicht zwangsläufig um die Figuren handeln, welche im Aachener Ambo verarbeitet wurden.

Ein schönes Beispiel für ein figürliches Figurenset sind die Schachfiguren aus dem Schatz der Abtei von Saint Denis. Die 16 noch erhaltenen Schachfiguren aus Elfenbein sind zwischen 7,5 und 15 cm hoch. Ursprünglich wurden sie Karl dem Großen zugeschrieben, doch diese Zuschreibung ist heute nicht mehr haltbar. Die Figuren datieren um 1085 und stammen aus einer süditalienischen Werkstatt. Sie vereinigen in sich westliche und östliche Einflüsse. In ihrer Grundkonzeption erinnern sie an die frühen persischen Figuren. Die Läufer sind Kriegselefanten und die Türme Kriegswagen, die an römische Quadrigen gemahnen. Springer und Bauern tragen dagegen die Gewandung westlicher Ritter und Fußkämpfer, während König und Dame das Gewandt eines byzantinischen Monarchen tragen. Hier sei auch eine männliche "Dame" erwähnt, welche in die Hoftracht eines byzantinischen Ministers gewandet ist.

Als eines der ersten genuin europäischen Schachspiele können die Figuren von der Insel Lewis gelten. Der Fundkomplex von der Hebriden-Insel ist der größte Hortfund von Schachfiguren. Insgesamt wurden dort 8 Könige (7,7-10,2 cm), 8 Damen (7-9,6 cm), 16 Läufer (7,3 -10,2 cm), 15 Springer (7,2-10,3 cm), 12 Türme (7-9,1 cm) und 19 Bauern aus Walrosselfenbein gefunden. Die Figuren datieren zwischen 1150 und 1200. Vermutlich wurden sie in einer Werkstatt in Trondheim gefertigt und kamen mit skandinavischen Siedlern oder Händlern nach Lewis. Die Könige wie auch die Königinnen (Damen) thronen majestätisch auf Sesseln, die mit Ornamentik im Urnes- und Tierstil verziert sind, ebenso die Bischöfe (Läufer). Springer und Türme sind wie die Krieger der damaligen Zeit mit Kettenhemd, Normammenhelm und Langschild ausgerüstet, während die Bauern an Runensteine erinnern.

Über lange Zeit war das Schachspiel eine Domäne der adeligen Oberschicht. Daher finden sich die Meisten archäologischen Funde auch in Pfalzen, Burgen oder Gutshöfen, doch ebenso in Abteien und Klöstern, wie das schon zuvor genannte Beispiel von Saint Denis zeigt. Erst sehr viel später hielt das Schachspiel auch beim reichen Bürgertum Einzug.

Für den mittelalterlichen Menschen war Schach mehr als ein Strategiespiel. Gaben die Figuren ursprünglich den Aufbau eines Heeres wieder, avancierte es im mittelalterlichen Europa zum Spiegelbild des Hofes bzw. der gesellschaftlichen Ordnung. An der Spitze stand der König mit seiner Königin (Dame). Ihm zur Seite standen als Berater die Bischöfe, die gleichermaßen den Klerus repräsentierten. Im englischen Sprachraum finden sich anstelle der Bischöfe bisweilen auch Grafen als Läufer. Im französischen steht der Läufer dagegen für den Narren. Ritter und Turm stehen für den schwertführenden Adel. Die Bauern schließlich stehen für den Nährstand oder die Dienerschaft bei Hofe. Der italienische Dominikanermönch Jacobus de Cessolis Verfasste zwischen 1275 und 1290 eine Predigtsammlung, in der er Aufbau und Struktur einer Gesellschaft Anhand des Schachspiels erläuterte. Der König sollte ein weiser und gerechter Herrscher sein, die Königin das idealbld der sittsamen und tugendhaften Frau. Die Ratgeber (Läufer) stehen dem König mit gutem Rat zur Seite. Der Springer steht für die Ritterschaft, die Land und Leute beschützt, während der Turm als Truchsess den König vertritt. Die Bauern sind für Jacobus nicht nur einfach Bauern. Jeder repräsentiert für ihn eine bestimmte Berufsgruppe. Der erste Bauer ist tatsächlich ein Bauer, der zweite ein Schmied und steht stellvertretend für das Handwerk. Der dritte Bauer ist Schreiber, der vierte Kaufmann und Bankier, der fünfte Arzt und Apotheker und der sechste ein Wirt. Der siebte Bauer ist Stadtwächter oder Waffenknecht. Der achte und letzte Bauer steht für alle Ausgestoßenen wie Herumtreiber, Dirnen oder Henker.

Die Regelreform des 15. Jahrhunderts

Im Laufe der Zeit wandelten sich nicht nur das Aussehen der Figuren. Auch die Spielzüge der Figuren wurden modifiziert. Die wohl umfangreichste Regelreform erfolgte im 15. Jahrhundert, wodurch einige der Spielfiguren erheblich aufgewertet wurden. Durfte die Dame vorher nur ein Feld in der Diagonalen ziehen, bewegte sie sich nun über sämtliche Diagonalen, Linien und Reihen. Läufer und Turm durften sich vorher nur über zwei Felder in der Diagonale bzw. Linie oder Reihe bewegen. Nun zogen sie über sämtliche Diagonalen bzw. Linien und Reihen. In dieser Zeit wurde auch der Eröffnungszug des Bauern über zwei Felder und die Rochade eingeführt. Die neuen Züge eröffneten eine Vielzahl neuer Möglichkeiten und machten das Schachspiel im ganzen dynamischer. Unsere heutigen Schachregeln gehen letztlich auf diese Reform zurück.