Ihrzen und Duzen

Aus Scriptorium

Die Siez-Form war im Mittelalter unbekannt: im 12. Jahrhundert wurde entweder geduzt oder geihrzt. Wann man einen Mitmenschen mit "du" oder "ihr" anredete, war stark situationsbezogen. Manchmal schwankte man inmitten einer Ansprache zwischen "du" und "ihr" umher; einen fixen Punkt, wann man jemanden nicht mehr mit "ihr" sondern vertrauter mit "du" anredete gab es nicht.

Allgemein kann man aber sagen, dass "du" die Regel, und "ihr" die Ausnahme war.

Hier wird geschildert, zwischen welchen Schichten der Gesellschaft "du" und "ihr" verwendet wurde.

Innerhalb des dritten Standes

Generell wurde innerhalb des dritten Standes immer geduzt.

Handwerksmeister, Kaufleute und Bankiere konnten sich aber von Dienern, Gehilfen und sonstigen Schergen und Bettlern - das heißt, sehr niedrigrangigen Personen - auch ein "Ihr" erwarten.

Innerhalb des zweiten Standes

Generell wurde innerhalb des Adels immer geihrzt.

Könige, Fürsten und ähnlich hochrangige Adlige konnten Personen im Niederadel, wie Edelknechte, Kammerdiener und Edelknappen auch duzen.

Freilich wurden auch Kinder geduzt; und unter Freunden duzte man sich ebenfalls.

Innerhalb des ersten Standes

Im 1. Stand galt für gewöhnlich, dass man Höherrangige ihrzte und Geistliche niedrigeren Ranges duzte. Zum Beispiel bedeutete das, dass ein Bischof einen Priester duzte und von diesem geihrzt wurde. Gleichrangige ihrzten sich in der Weltgeistlichkeit; in der Ordensgeistlichkeit duzten sich Gleichrangige.

Zwischen zweitem und dritten Stand

Adlige duzten Leute des dritten Standes; umgekehrt ihrzten Bürgerliche den Adel.

Zwischen erstem Stand und den beiden anderen Ständen

Der Klerus konnte sich erwarten, sowohl von Adligen wie auch Bürgern geihrzt zu werden. Einfache Mönche und Nonnen aber wurden eher geduzt, vor allem von Adligen.

Umgekehrt ihrzte der Klerus den Adel, und duzte den dritten Stand. In der Beichte duzten manche Geistliche aber jeden ("Beichte mir deine Sünden, mein Sohn!").