Gemeinschaft

Aus Scriptorium

Die Menschen des Mittelalters waren von Natur aus tendenziell gesellige Wesen und suchten Geborgenheit in einer Gruppe. Dies hatte mehrere Gründe:

  • Die mittelalterliche Welt war gefährlich (sowohl leiblich wie auch seelisch)
  • Es gab kaum öffentliche Dienste, was Solidarität zwischen Nachbarn und gemeinschaftlichen Gruppen extrem wichtig machte
  • Mittelalterliche Werte betonten die Wichtigkeit von Familie, Glauben und Stand; daher war der Status von Leuten innerhalb von diesen Gruppen von enormer Bedeutung und Aussagekraft
  • Für den mittelalterlichen Menschen war Ansehen sehr wichtig – und das war etwas, was man nur durch Interaktion mit gesellschaftlichen Gruppen erlangte.
  • In vorindustriellen Gesellschaften war es sehr wichtig, gemeinschaftlich zusammenzuarbeiten, beispielsweise in der Landwirtschaft, Bergbau und Handwerk (es gab fast gar keine Optionen, Menschen maschinell Arbeit abzunehmen).
  • Der Status eines Menschen in einer Institution oder einer Gemeinde bestimmte, welchen Grad von Wertschätzung und Behandlung er erwarten konnte.

Das Christentum bestand zwar auf der einen Seite auf den Wert des einzelnen Menschen, auf der anderen Seite besagte es, dass der Mensch nur wahre Selbsterfüllung und Selbstverwirklichung nach dem Tod im Himmel finden konnte.

Aus diesen Gründen sahen sich die Menschen im Mittelalter tendenziell weniger als Individuen, sondern eher als Angehörige einer Gemeinschaft, mit einem festgelegten Platz in der gesellschaftlichen Hierarchie.

Oft sahen sich Leute als Angehörige mehrerer Gemeinschaften, welche sich überlappten. Ein Ritter beispielsweise war MItglied seines Herkunftsortes und seines Glaubens, aber auch einer internationalen Kriegerkaste mit einem festgelegten Wertesystem. Ein Bauer hingegen würde sich vor allem als Einwohner seines Dorfes sehen, und seine Selbstverwirklung darin sehen, einen bedeutenden Platz innerhalb seiner Gemeinde einzunehmen.

Religionen

Im Königreich Jerusalem bestimmten, aufgrund der Vielfalt der hiesigen Religionen, vor allem unterschiedliche Glaubensrichtungen darüber, welcher Gemeinschaft man zugehörte. Siehe Toleranz.

Randgruppen

Das Gemeinschaftsbewusstsein des Mittelalters führte dazu, dass Eigenbrötler und Egoisten (oder Menschen, die man als solche sah) oft verhasst und verachtet waren.

Auch viele andere Gruppen und Personen, die vom Wertesystem der Gesellschaft abwichen, wurden augegrenzt. Das konnte in "unehrlicher" Geburt oder in Nichtsesshaftigkeit begründet sein, in Herrenlosig- und damit Schutzlosigkeit oder in Exkommunikation, in bestimmten Krankheiten oder Ketzerei. Stets reagierten diesen Außenseitern gegenüber weltliche wie kirchliche Obrigkeiten sowie die systemgerechte Gesellschaft mit Vorurteilen und Misstrauen, mit Diffamierung und Diskriminierung. Als Randgruppen galten beispielsweise Arme, Schwache, Blinde, Hinkende, Verstümmelte, Humpelnde oder anderswie Körperbehinderte, Trossknechte, Gaukler, Tänzer, Lautenschläger, Flötenspieler, Lyraspieler, Tubabläser, Hornisten, Schauspieler, Pantomimen, Windbeutel, Parasiten, Schmarotzer, Possenreißer, Strolche, Spaßmacher und Huren.

Außer der genannten Spielleute, Bettler und Dirnen sind auch Lepröse den gesellschaftlichen Randgruppen zuzurechnen.