Ich eröffne dieses Thema, im allgemeinen um sich über Hochzeiten auszutauschen und im speziellen, weil bei uns ja gerade mehrere Hochzeiten ins Haus stehen, die de Bures sind ja recht fließig dabei, und da glaube ich was den Vorgang der Hochzeit angeht ein gewisser Irrglaube oder eher ein Missverständnis umgeht, was den Ablauf einer solchen Heirat anbelangt. Ich spreche hierbei besonders über den Vollzug der Ehe vor Zeugen. Schon seit den Tagen des HRR (und Bolkas Heirat mit dem Grafen von Hals) konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass ausgerechnet in der prüdesten Zeit Europas (so grob) einer ganzer Harem von Zeugen dabei gewesen sein soll, wie zwei, der Regel nach, völlig unerfahrene junge Leute sich zum ersten Mal beschlafen. Dass es das gab, will ich nicht bestreiten, gerade wenn es eine der einen von der anderen Familie "aufgezwungene" Ehe war, dürfte die eine Familie darauf bestanden haben, Zeuge der consummatio zu sein, doch konnte ich einfach nicht glauben, dass das Standard war.
In letzter Zeit habe ich daher ein wenig nachgeforscht und z.B. was über das Bitte melden Sie sich an, um diesen Link zu sehen. gefunden, ein Ritual, bei dem die Eheleute bekleidet ins Ehebett gelegt und dann zugedeckt wurden (sie steckten nun "unter einer Decke"). Die Ehe war damit rechtkräftig und die fleischliche Vereinigung fand darauf ohne Zeugen statt. In dem Artikel steht weiter, dass dieses Ritual wohl so alltäglich war, dass man es nicht beschreiben musste und dass nur manche Autoren von einem fleischlichen Ehevollzug unter Zeugen ausgehen. An anderen Stellen werden andere Traditionen zum Thema Hochzeitsnacht geschildert, vorallem das Heimbringen der Braut oder das ins Ehebett legen der Braut durch den Ehemann. Dann ging die Tür zu, alle hatten gesehen wo die Eheleute jetzt waren und damit war es wohl gut. Was ich sagen will ist, dass alles in allem der symbolische Vollzug der Ehe als rechtlicher Akt weit verbreiteter war, als der echte Beischlaf unter Zeugen.
In diesem Atemzug kann man auch erwähnen, dass es neben der Muntehe, die wir wohl als klassische Ehe bezeichnen würden, noch eine Anzahl weiterer Eheformen gab, zB die Friedel- oder Konsensehe, bei der es zB keine Trauung gab und die Frau auch nicht Untertan des Mannes wurde (besonders wenn die Frau höher Stand als ihr Mann, dürfte im Adel nicht allzu verbeitet gewesen sein). Dieses verschiedenen Eheformen waren erstmal allesamt anerkannt, wobei sich die Muntehe immer mehr als die Ehe durchsetzte. Der kirchliche Einfluss auf die Eheschließung etc. war dabei zunächst sehr gering, zB konnten noch bis zum Übergang vom 12. zum 13. Jahrhundert (bei uns noch in der Zukunft) Laien die Eheleuten trauen und die kirchliche Trauung als solche wurde erst im 16. Jahrhundert, zur Zeit der Reformation, obligatorisch. Mehr dazu Bitte melden Sie sich an, um diesen Link zu sehen.
Was ich hauptsächlich anstrebe ist die Abkehr von "Dogmen" wie etwas zu laufen hatte. Wir sind noch nicht in einer Zeit, in der er für alles und jeden gültige, gedruckte Vorschriften und Gesetze gab, nichtmal in der Kirche. Gewohnsheitsrecht und lokale Bräuche und Traditionen waren da viel entscheidender, gerade im 3. Stand, der ja nur so ungefähr 95% der Bevölkerung ausmachte.