körperliche und geistig beeinschränkte Menschen im Mittelalter

  • Aus gegebenem Anlass halte ich es für notwendig, auf eine Besonderheit im Mittelalter einzugehen. Wie der Titel schon sagt, geht es um körperliche und geistig beeinschränkte Menschen im Mittelalter. Jeder der sich mit diesem Thema rollenspielteschnisch auseinander setzen möchte, sollte zunächst folgenden historischen Roman lesen (Leider gibt es nur wenig belegte Quellen zu dem Thema, aber der Autorin ist es sehr gut gelungen einen Einblick in dieses Thema zu geben): Hiobs Brüder von Rebecca Gablé


    Für uns, aus dem modernen Zeitalter, wo der Umgang mit behinderten Menschen als sozial angesehen wird, dürfte es höchst schwer fallen sich der mit der mittelalterlichen Sicht von behinderten Menschen anzufreunden. Dieser Beitrag ist persönlich geprägt, denn mein bester Freund ist körperlich Behindert und ich möchte die Sensibilität für dieses Thema wecken. Sollte jemand Interesse an einer solchen Id haben, sollte derjenige genau wissen, worauf er sich einlässt.



    Im Mittelalter galten Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung als Ausgestoßene. Kinder die mit einer solchen Beeinträchtigung geboren wurden, wurde in der Regel ertränkt, erschlagen oder ausgesetzt. Sie galten als schmutzig, unrein und vom Teufel besessen, da man sich dieses Phänomen nicht erklären konnte. Mütter die ein solches Kind zur Welt brachten wurden gemieden, oder gar der Hexerei bezichtigt oder beschuldigt mit dem Teufel im Bund zu sein. Behielt die Mutter das Kind, wurde sie von jeglicher Gesellschaft ausgestoßen, was insbesondere auf Land und in kleinen Gemeinden sehr schwer wog. Es ist bekannt, dass man in den ländlichen Regionen auf einander angewiesen war. In der Regel verließen Männer ihre Frauen, wenn diese ein behindertes Kind zur Welt brachten. Es war schließlich überlebenswichtig ein gesundes Kind zu haben. Immer gab man der Frau die Schuld (Erbsünde) für solch eine Beeinträchtigung. Man schämte sich für ein solches Kind und fürchtete sich auch davor, weil es 'anders' war.
    Kinder mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung wurden selten alt. Nicht nur, dass sie dem Spott der Leute ausgesetzt waren, man hat sie gequält und selten als Menschen angesehen. Sie wurden wie Vieh gehalten, auf Jahrmärkten als Kuriosität ausgestellt und misshandelt. Behinderte Menschen galten nicht als Menschen. Man predigte zwar von Nächstenliebe und Freundlichkeit, diese wurde aber nur selten auf behinderte Menschen erweitert.
    Oft genug wurden behinderte Menschen auch einfach weggesperrt und tatsächlich wie Vieh in dunklen Kammern gehalten und angekettet.


    An sich hab ich nichts dagegen, wenn jemand eine solche ID übernehmen möchte. Man sollte jedoch bedenken, das man dann aber nicht gerade Freundlichkeit zu erwarten hat. Man wird wie ein Aussätziger behandelt und hat leider kaum Berührungspunkte mit den übrigen normalen IDs. Man wird sich am Rande der Gesellschaft bewegen und selbst von Verbrechern, Dieben, Bettlern und Gesitlichen gemieden werden. Man wird wenig Beachtung finden und noch weniger Freundlichkeit erfahren.


    Gern darf das Thema hier diskutiert werden.

  • Noch ein kleiner Nachtrag:


    Die kirchliche Lehrmeinung war das geistig behinderte keine Seele haben und Menschen mit körperlichen Fehlbildungen nicht nach Gottes Ebenbild erschaffen seien und man sie deshalb separieren müsse, weil der Gemeinschaft der Christen ein Zusammenleben mit diesen Personengruppen nicht zuzumuten sei.



    Arm-, Beinstümpfe, Kriegsverletzungen, Fehlbildungen, Hauterkrankungen etc. gehörten hingegen zum Alltagsbild, und niemand wäre auf die Idee gekommen, sich sonderlich darüber aufzuregen.

  • Wie wurde zum Beispiel mit IDs umgegangen, zum Beispiel mit denjenigen, welche erst später behindert wurden,


    sei es durch Unfall,


    schwere Infektion während Krankheit, (ich denke da an Mumps oder Hirnhautzentzündung)


    oder nach Rückkehr aus dem Krieg als Invalide.


    Ich biete hier mal einen Link zu dem Thema an... der zu knappem Text und weiterführenden Links führt.


    Bitte melden Sie sich an, um diesen Link zu sehen.



    Mein Senf bezogen auf damelige Zeit des Mittelalters.
    Eine Behinderung war schon immer mit der Wertminderung eines Menschen verbunden, sei es aus medizinischer, religiöser oder rechtlicher Sicht. In den meisten Fällen sprach die Gesellschaft Behinderten sämtliche Rechte ab. Es gab nur äußerst selten behinderte Menschen, die verehrt wurden. Eine solche Person war beispielsweise der Gelehrte und Mönch Hermannus contractus (1013-1054). Doch, wie schon erwähnt, ist er nur eine von wenigen Ausnahmen.





  • Das wird stark mit dem sozialen Stand desjenigen zusammenhängen. Wer reich war, konnte wohl noch einigermaßen leben. Wer nicht reich war, wurde unter Garantie auch von der Mehrheit gemieden und verspottet und wird irgendwann an unhygienischen Umständen oder Hunger verendet sein.


    Wer reich war, wird sich über Wasser gehalten haben. Wer wirklich tolerante Verwandtschaft hatte auch. Aber nicht einmal Verwandtschaft war ein Garant für Pflege und Fürsorge.


    Behinderte, und das klingt jetzt hart, hatten im Mittelalter eben überhaupt keinen Wert, waren fremdartig und "hässlich". Das ist keineswegs meine Meinung, aber man muss es halt mal zeitgenössisch so formulieren.


    Da die meisten von Geburt an Behinderten ohnehin schon kurz darauf getötet wurden, wird der Großteil also ohnehin aus im Nachhinein Verkrüppelten bestanden haben. Damals gab es kaum taugliche Arbeitsmöglichkeiten. Als Diener brachten die meisten nichts, harte Arbeit konnten sie nicht verrichten - wo also sollte in der "schönen" oder in der "harten" Welt Platz für sie gewesen sein?

  • Nachtrag:


    Zitat

    Behinderte (mhd. gebrestige, gebrestliche, arme liute; lat. homines debiles). Personen, die durch angeborene oder erworbene Schädigung bleibend an Leib, Geist oder Seele erkrankt waren, bildeten im MA. – sofern sie nicht in ihrer Familie oder hinter Klostermauern ein behütetes Dasein fristen konnten – den Bodensatz der unbehausten Bettlerschar. Verkrüppelte, Lahme, Blinde, Taubstumme stellten ihr Leiden umso drastischer zur Schau, als sie sich davon mehr Mitleid und Almosen versprachen. Schwachsinnige fanden zuweilen auch ein Auskommen als Hofnarren, meist waren sie jedoch der Spottlust des Pöbels hilflos ausgesetzt, fanden allenfalls Zuwendung im "hospitale pauperum" eines Klosters, wurden schlimmstenfalls im Narrenhäuslein weggesperrt.
    Von behindert Geborenen wusste man, dass sie zur Unzeit, etwa in der Nacht zum Sonntag, gezeugt waren und ihr Gebrechen als sichtbares Zeichen göttlichen Zornes trugen. Sie wurden – obwohl die Geistlichkeit dagegen Stellung bezog – häufig kurzerhand getötet oder ausgesetzt. In anderen Fällen starben sie wegen Vernachlässigung und Verwahrlosung eines frühen Todes. Vielfach suchten die Eltern auch, Heilung ihrer behinderten Kinder durch Wallfahrten und Gelöbnisse zu erlangen. ®Mirakelbücher berichten von ungezählten Wunderheilungen angeborener oder erworbener Behinderungen, so z.B. das Mirakelbuch des Priesters Wolfhard aus dem Kloster Monheim (9. Jh.), demzufolge die hl. Walburga manche gehunfähige Verkrüppelte geheilt habe, ebenso Blinde, Besessene und Stumme. Dem 1183 heiliggesprochenen Erzbischof Anno II. von Köln (11. Jh.) wird eine Vielzahl exemplarischer Wunderheilungen zugeschrieben (Miracula Sancti Annonis I, II), wiederum Blinde, Taubstumme, Gelähmte, Spastiker, Besessene und Fallsüchtige betreffend.
    Von dem seltenen Fall, dass einem - wohl begüterten - Gehbehinderten mittels einer Orthese geholfen wurde, berichtet der Spiegel (36, 2011, S. 116): "Im späten 7. Jh. starb bei Würzburg ... ein humpelnder Ritter mit einer seltsamen Gehhilfe am Fuß. Das ... Gerät bestand aus zwei U-förmigen Eisenbändern, eins verlief unter dem Fußgewölbe, das andere um die Achillesferse." Die Konstruktion habe dazu gedient, einem wegen Bänderrisses instabilen Knöchel Festigkeit zu geben. Aus sma. Darstellungen sind primitive Prothesen und Gehhilfen (Stützen, Krücken) aus Holz bekannt, mit denen sich Beinamputierte dahinschleppten.


    Quelle: Bitte melden Sie sich an, um diesen Link zu sehen.

  • “Vorschläge zum Einsatz”:
    Der Hinkende reite, der Handlose hüte,
    Der Taube taugt noch zur Tapferkeit.
    Blind sein ist besser als verbrannt werden:
    Der Tote nützt zu nichts mehr.
    Also auch hier gilt: jeder nach seinen Möglichkeiten,
    jeder hat seinen Platz in der Dorfgemeinschaft.


    Die durch infiziertes Wasser erblindet, durch Ohrenentzuendungen oder Masern ertaubt, durch ganz normale Unfaelle oder fuer uns Heutige eigentlich lapidare Verletzungen Glieder verloren haben, durch Mumps geistig behindert, durch Polio gelaehmt waren, etc. Von den angeborenen Behinderungen jetzt mal ganz abgesehen. Säuglinge, die sehr verunstaltet oder schwer behindert waren, wurden, wenn sie bei der wenigen Betreuung überhaupt überlebten, innerhalb der Familie versteckt, entweder im Haus und wenn kein Platz war im Stall. Mit Krankheiten wie Kinderlähmung, oder geistiger Behinderung usw. ging man ganz natürlich um. Die betreffenden Personen wurden meistens innerhalb des Familienverbandes mit dem beschäftigt, was sie machen konnten. Kinder hüten, weben, Tieraufzucht, leichte Feldarbeit usw. dasselbe also wie bei den Kriegsversehrten und Unfallopfern.

  • Also selbst jene die durch einen Unfall oder durch eine Krankheit körperlich beeinträchtigt sind, wurde nicht gerade immer mit Liebe und Fürsorge behandelt. Wenn jemand durch Mumps oder Polio geistige Schäden sich zuzog, war schlichtweg ein Schwachkopf. Die Familie hat sich zwar durchaus bemüht diese noch zu integrieren, aber die Regel war, dass man diese Menschen in ein Kloster abschob oder in ein "Irrenhaus". Wobei man das damalige Irrenhaus nicht mit einer heutigen psychiatrischen Einrichtung vergleichen darf. Die armen Irren wurden in dunkle Zellen eingesperrt und es war durchaus üblich an Sonntagen Eintritt zu verlangen, damit man diese begaffen und reizen konnte. Ein amüsierendes Spektakel für die reichen und gelangweilten ...

  • Mira, woher hast du deinen Text? Allein "Der Hinkende reite" macht mich nämlich schon etwas misstrauisch, weil Pferde schweineteuer waren und man auf Kühen etc kaum durch Städte geritten ist. Bestenfalls noch auf Maultieren aber auch die wird sich ein vermutlich erwerbsloser nur schwerlich leisten können. Würd mich also echt interessieren, wenns da noch was zu gibt.


    Ausnahmen bestätigen die Regel, das ist klar, aber im Mittelalter hatte man die heutige soziale Einstellung schlichtweg nicht. Die einen waren zu ängstlich (man bedenke Ketzerei-Predigten etc.), zu arm (wer hatte schon groß Geld?), zu egoistisch (gibt es damals wie heute) und zu desinteressiert (wohl der Großteil) oder sogar schadenfroh (wird bei allen Gruppen teilweise hineinspielen).


    Nicht einmal heute wird eingeschränkten Menschen bedingungslos geh0lfen. Primär halt in Einrichtungen, die es damals eben nicht gab. Familien kamen so meist kaum über die Runden, grad in den ärmeren Schichten, in denen solche Problematiken auch häufiger waren, da einfach Hygiene fehlte. Ein zusätzlicher Esser, der nicht viel leisten KANN, konnte nicht überall getragen werden. ;)

  • @ AlThib
    Text des Gedichtes ist aus der Havamal, die Spruchdichtung in der Edda.
    siehe Link (Beitrag Nummer 9)
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    Die Menschen waren wegen den vielen Kriegsversehrten, die sie täglich sehen konnten auf einen “ungewöhnlichen” Anblick, “unnormalen” Verhaltens oder “unnatürlicher” Bewegungen von Menschen eingestellt und es eher gewöhnt, anders als heute, wo diese Menschen doch oft von den “normalen” getrennt in Heimen leben.
    Meine Frage: Was ist mit der Gruppe der Kriegsversehrten/Kriegsinvaliden? Seht ihr die auch als behinderte Personen an?

  • Kommt auf den Grad an. Einige von denen sind vielleicht noch recht gut gestellt, aber der Großteil wird sich auch alles nur noch erbetteln können. Grad das ist ja durch einschlägige Lektüre, selbst Hollywood (die ja so gerne beschönigen) und alte Sagen/Geschichten gut überliefert.


  • Meine Frage: Was ist mit der Gruppe der Kriegsversehrten/Kriegsinvaliden? Seht ihr die auch als behinderte Personen an?


    Es kommt immer drauf an aus welcher Gesellschaftsschicht der Kriegsversehrte kam. Adlige/ Ritter kamen wohl noch recht gut weg. Hatten Sie doch meist einen Lehnsherr der sich dann um sie sorgte und weiter beschäftigte oder das nötige Vermögen. Dennoch nagten auch kriegsversehrte Ritter durchaus am Hungertuch.
    Einfache Bürger/ Bauern hingegen, waren auf die Mildtätigkeit der Kirche und Anverwandten angewiesen, viele endeten als Bettler.

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